Liebes Pflegekind,

am Vormittag erhielten wir einen Anruf vom Jugendamt dass sie dich vermutlich heute aus deiner Wohnsituation holen. Wir waren bereit und aufgeregt.

Am Abend kamst du dann während unserem Abendessen und bliebst erstmal ganz ruhig im MaxiCosi sitzen. Hast dir alles angeschaut und wir konnten alles mit den Jugendamtmitarbeitern besprechen. Viele Informationen hatten sie aber nicht für uns über dich. Nur dass du alles isst, deine Trinkflasche dir wichtig ist und das du ein paar Sachen mitbekommen hast. Wann du schläfst, wie du schläfst, was du magst, was du kannst, mit was man dich gut trösten kann … Alles Fragezeichen. Das durften wir rausfinden.

Vier Monate warst du jetzt bei uns. Du kamst robbend zu uns und nun läufst du schon in dein neues Leben.

Wir haben dich alle gleich in unser Herz geschlossen, auch wenn wir noch nicht wussten was das bedeutet. Wir wussten nicht wie lange du bleibst, aber das war auch unwichtig. Hauptsache du warst jetzt da und wir dürfen dich kennenlernen. Und du uns.

Die ersten zwei Wochen mussten wir uns alle an die Umstellung gewöhnen. Obwohl du dich super in unseren Familienrythmus hast einnehmen lassen war einiges anders. Beim Mittagessen auf babygerechte Größen achten, meine Tasche musste bestimmte Sachen wie Windeln immer beinhalten, rausgehen war mehr Aufwand, ausgehen war nur noch begrenzt möglich, die Nächte wurden mehr unterbrochen, wickeln gehörte wieder zum Alltag, schwer heben und viel tragen, wenn 4 Kinder etwas von mir wollen , was hat Priorität, wo bleibt der Haushalt, wer macht was, alles auf einmal. Wir spielten uns ein und es machte Klick. Du warst ein Teil von uns.

Wir haben gelernt mit den Reaktionen unserer Freunde und Bekannten umzugehen. So viel Positives, so viel Wertschätzung, so viel Mitgefühl für dich. Du warst überall Willkommen. In unserem Umfeld, auch eine Bereicherung, ein Blick über den Tellerrand. Was für ein Segen! Was für Freunde wir doch haben!

Dein erster Geburtstag kam und du wurdest ausgiebig gefeiert. Was für ein Gefühl deine Mama nicht dabeizuhaben. Aber wir haben sie immer wieder getroffen und du hast nach einem kurzen warm werden, genau gespürt wer sie ist. Wer sie für immer ist. Wie wichtig sie ist. Mama sein. Das hat einen Wert, der geht nicht verloren. Egal was ist und war. Das hast du mich nochmal auf besondere Weise gelehrt. Die Bindung zu seiner eigenen Mutter ist der Ursprung. Das wird euch niemand nehmen. Das bleibt.

Ich würde sagen unsere Kinder sind deine besten Freunde geworden. Gleichaltrige Kinder interessieren dich noch nicht wirklich. Aber unsere drei Rabauken haben es dir angetan und sie lieben dich. Ihr hattet soviel Spaß, was für ein Seelenschmeichler das zu sehen. Mega, wie ihr das zusammen gewuppt hat. Ich könnte nicht dankbarer sein.

Mit jedem Familienmitglied hattest du deine Spezialitäten. Fünf von uns an der Zahl und mit jedem hattest du eine übertragene Art „Secret Handshake“. Ihr habt das zusammen kreiert und zigmal durchgespielt. Das Rücken kraulen, das Hoch genommen werden und getröstet werden, das zusammen abhängen, das bespaßt werden, das vertraute einschlafen und kuscheln. Was für ein Segen. Du hast uns viel Freude bereitet.

Wir durften dich zum ersten Mal ans Meer begleiten. Oder war es das erste Mal für dich? Eigentlich wissen wir es nicht. Aber wir haben oft gespürt wie du es genießt Freiheiten zu erleben und auszukosten. Dein rumflitzen im Sandkasten, dein Wiese entdecken, dein dich jauchzend in die Kissen schmeißen. Das Meer war dein Element. Wasser sowieso. Ohne Angst und Kälteschock hast du dich reingesetzt und von den Wellen leicht anspritzen lassen.

Wir wussten, das wird der Countdown. Danach geht es langsam an den Abschied. Du bist unser erstes Pflegekind. Wie für dich, ist es unser erstes Mal. Wie lässt man ein Familienmitglied gehen? Langsam. Liebevoll. Nicht leicht. Aber machbar.

Dein neues Zuhause wurde bestimmt und wir finden es eine gute Lösung. Sind bereit die nächsten Schritte zu gehen. Kontakt zu intensivieren, auszubauen und Zeit für Vorbereitungen. Dann zusammen eintauchen in dein baldiges Umfeld, alles kennenlernen. Alles wird gut. Wirklich.

Abschied nehmen. Loslassen. Nicht nur dich, ganz wörtlich, sondern auch die gemeinsame Zeit. Die schön war. Anstrengend, aber auch sehr bereichernd. Für uns alle. Auch für dich. Das dürfen wir sehen und noch miterleben. Danke dafür. Dein brabbelndes Feedback gibt uns ganz viel. Du bist ein Schatz! So wertvoll, so geliebt.

Jeder von uns gibt dir einen persönlichen Gruß mit. Gute Wünsche, ein stilles Gebet. Gott geht mit. Wir blieben hier und sind trotzdem für dich da. Begleiten weiter den Übergang und denken froh an dich zurück. Du kleiner Schatz. Was für ein Leben, was für eine Aufgabe. Alles Gute für dich!

Deine Pflegefamilie, die Geras

4 Kommentare zu „Liebes Pflegekind,“

  1. Wow, was für wundervolle Worte. Ich muss zugeben, dass ich ein paar Tränen in den Augen hatte. So schön, dass ihr so einen gesegneten Start haben durftet und wir die Maus bei euch kennen lernen konnten!

    1. Das war wirklich ein toller Einstieg in die Bereitschaftspflege! Sie hat es uns sehr leicht gemacht und wir konnten uns gut darauf einstellen und -lassen. Danke, dass ihr so lieb Anteil genommen habt an diesem Abenteuer!

  2. Wunderschön geschrieben. Wie bittersüß zugleich so ein Abschied sein kann. Hab Tränen in den Augen beim lesen. Was für ein Glück sie hatte bei euch zu landen. Was für ein Privileg sie kennen zu lernen. Sie ist in Gottes Hand. Was für eine Zuversicht.

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